Freitag, 15. November 2019

Riegelverkostung – Naderi


Die im folgenden zu testende Riegelware wurde mir von Frau Majidi aus dem fernen Orient, dem Land der Kamele, Wüsten und Verbote, aka dem Iran, mitgebracht. Dafür Dank!


Was steht drauf:  Since 1950. Und irgendwas auf Farsi, das aber entfernt an „SPL“ erinnert.

Hüftgoldfaktor: 492 Kalorien pro 100 g. Wieviel der Riegel wiegt und daher ansetzt, bleibt jedoch im Dunkeln.

Erster Eindruck: Wenn ich an den Iran denke, balgen sich vor meinem inneren Auge und in meinem Vorstellungstheater immer zwei Welten um die Vorherrschaft. In der eine, schöneren aber vermutlich nicht ganz akkuraten Vorstellung tanzen glutäugige Schönheiten mit Leibern, die so kurvig wie die Sanddünen in der soeben auf Kamelen durchquerten Wüste sind, barfuß und mit schlangengleich sich windenden und zuckenden Armen unter einem prachtvollen Sternenhimmel um ein Beduinenfeuer, an dem Wasserpfeife rauchend, Tee trinkend, Datteln und andere Köstlichkeiten schlemmend und natürlich feilschend sonnengebräunte und wind- und sandgegerbte Tuareg-Händler sitzen. Und so weiter, man kennt das ja. In der anderen Vorstellung herrscht ein theokratisches Scheißregime und mit ihm Unfreiheit, Willkür und Unterdrückung, wodurch ein schönes Land reich an Geschichte, Kultur, Bodenschätzen und guten Menschen zu einem kriegsbedrohten, armen, prekären und nicht mehr lebenswerten „shithole“ heruntergewirtschaftet wurde.
Dieser Dualismus kam mir in den Sinn, als ich „Naderi“ in Augenschein nahm, denn seine Verpackung ist auch in zwei Hälften geteilt. Rechts das tiefbraun der feuchten Augen der tanzenden Naderi, darunter ein alter Sinnspruch auf Farsi „ این نیز بگذرد‎" (īn nīz bogzarad) und ein kleines Rundes Symbol des Beduinenstammes, in dessen Mitte ein Kamel (nehme ich an) steht.
Naja und links eben auf hartem Weiß die Abbildung des phantasielosen, verhärmten mullahkratischen Naschwerks, bei dem es sich selbstverständlich um die Badelatschen, den VoKuHiLa, den Monotheismus der Riegel handelt: einen *seufz* *schonwieder* Schokowaffelriegel.
Gut überstanden hat er die lange Reise aus dem Orient in die Hände dieses gottlosen Schokopoeten, dieses okzidentellen Naschenschaftlers nicht gerade. Wie der Kern des iranischen Regimes ist er gebrochen, zersprungen und wird von nichts mehr zusammengehalten als einer extradicken Hülle aus Konvention und Abgrenzung von den Anderen.

Mundhaptik: Trocken und spröde wie sonnengedörrter Kameldung, hornig wie die Hände eines Karawanenführers und irgendwie abgestorben wie ein im Wüstensand verdursteter Dornenstrauch und die Hoffnung im Herzen vieler Iraner bröselt und staubt sich dies Ding in meinen Mund.

Geschmack: Und gerade als ich schon vollends in mundhaptischer Trostlosigkeit zu versinken drohte, brach sich ein kleines, dünnes, grünes Geschmackshälmchen durch die schartige Wüstenbodenkruste und schmeckte mir ein kleines Hoffnungsfünkchen zu: eine zarte, bescheidene, liebliche Süße ist da, ein paar verspielte Röstnoten des Waffelbruchs, ein armer aber feiner und aufrichtiger kleiner Schokooberton.

Fazit: So trist und hoffnungslos Naderi zu sein scheint, unter der narbigen Kruste, hinter den gesenkten Lidern seiner niedergebeugten Fassade ist doch ein kleiner, aber unbeugsamer und unverlöschlicher Funke, der eines Tages, in einer besseren Welt, wieder ein stolzes und freies Feuer entfachen wird.




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