Freitag, 30. Oktober 2020

Riegelverkostung – Ülker Albeni Viva

 Was steht drauf:  Beyaz Cikolata Kaplamali Karamel Ve Kakaolu Bisküvi

 Hüftgoldfaktor: 151 Kalorien dat Stück

Erster Eindruck: Weiß. Weiß wie der bleichgebrannte Sand in der Sahara, weiß wie die flatternden, weiten Gewänder der Beduinen, weiß wie ihre von dunkelbraunen, sonnengegerbten, lächelnden Lippen eingefassten Zähne liegt dieser albinöse Riegel vor, sein Name rot auf weißem Grund, und das „Viva“ auf seiner hellpastellen-sandfarbenen, glatten und eher kompakten Verpackung scheint einem das Gefühl entfesselter Lebensfreude und aufbrandender Erlösung zuzujauchzen, welche man nach einem langen Zug durch von gleißender Sonne erhitzte Dünen auf brennenden Sohlen beim abendlichen Einzug in eine Oase empfinden mag. Man sehnt sich nach Kühle und Entspannung und Erfrischung und Labsaal und Ruhe und Einkehr für Geist und Körper, lechzt nach einer leichten und doch nahrhaften Speise, vielleicht einem Laib hellen, ungesäuerten Brotes, das auf einem Stein über dem Feuer unter dem allmählich abkühlenden und sich mit dem ihm eigenen Überreichtum von Sternen beprachtenden Wüstenhimmel gebacken wurde: und so sieht der seines falben Burnus entkleidete Riegel auch aus, cremeweiß, mit typisch weißschokoladärem Geruch und über den Korpus noch ein paar nachlässige Bahnen des guten, dunklen Zuckersirups, der daran erinnern soll, daß es auch Süße gibt, in diesem harten Leben.

Mundhaptik: Und dann hebt man das fertige Brot vom Stein und streicht, kaum daß es ein wenig abgekühlt, eine dicke Schicht der guten, dicken Dattelpaste darauf, die man, seit man sie auf dem Nachtbasar in al-Dschauf für einige Unzen Sanddornbeeren eingetauscht, wie einen Schatz gehütet und für genau diesen Augenblick aufgespart hatte. Und schließlich beißt man hinein und es treten beim Anbiß die untere, trockene, krümelig-gebackene, dunkelbraune, herbe Bisquit- und die obere, pastöse, halbfluide, süße Cremeschicht zusammen und vermischen sich sofort zu etwas, das zur gemächlichen, über alle Zeit der Welt verfügenden Stimmung am Lagerfeuer passt und zu einem sortierenden, nachschmeckenden, behäbig-genießerischen Kauen einlädt.

Geschmack: Wie der starke, unbeugsame Blick aus den in tiefen Höhlen geborgenen, dunklen Glutaugen der Beduinen, der gewohnt ist, mit uralter unbegreiflicher Langmut immer die größte Weite, die fernsten Horizonte, das Kommende zu schauen und der den neben ihm sitzenden und kurzsichtig blinzelnden Gast aus der Stadt und sein unstetes irrlichterndes Auge schlicht zu durchbohren, zu durchstrahlen scheint, so richtet sich sofort auch der Geschmackssinn ein und aus, wenn man Albeni isst. Unmöglich, sich auf unmittelbare Details und Kleinigkeiten, wie Karamell- und Zitrusnoten, Röstaromen und Kakaobutter zu fokussieren, schmeckt man nur, während man den Blick der geschlossenen Augen in den weiten inneren Himmel der Vorstellungsoase schießen läßt, eine gustatorische Allegorie auf das Leben der Wüstennomaden, trocken, herb, asketisch und immer etwas fremd und zugleich doch auch mit Süße und dem gelegentlichen Genuß der Früchte der Erde und des Sandes und überall ein wenig zu Hause.

Fazit: Als Allah die Welt Schokoriegel erschaffen hatte, schaute er sie sich an und alles, was ihn vom Wesentlichen ablenkte nahm er heraus. So entstand die Wüste. Albeni.

 

 

 


Freitag, 9. Oktober 2020

Riegelverkostung – Sarelle® duo

 Was steht drauf:  Since 1936 – Hazelnut and hazelnut cream filled wafer covered with milk chocolate

 Hüftgoldfaktor: 187 Kalorien dat Stück

 Erster Eindruck: Irgendetwas stimmt ganz und gar nicht mit diesem Riegel! Das dachte und empfand ich, als ich mich diesem Türkenschmaus zuwandte (und nicht nur wegen der leidigen aber präzisen Erinnerung an Frys Gaumenfolter): natürlich verbindet man heuer mit der Türken Land und Führer nicht gerade die besten Assoziationen und die Angabe „seit 1936“ als der etwas hiesigere aber ähnlich bebartete und demokratieaffine „Führer“ den Versailler Vetrag brach, macht es nicht besser. Es ist aber auch der überaus unheimliche Name dieses Riegels und die unheilvolle senf-pastelgelbe Farbe seiner Verpackung mit den schwarzen warntrachtartigen Querstreifen und das grobe Stück Sackleinen, auf dem er darauf abgebildet ist, das Unbehagen erzeugt. Ersterer beschwört im lebhaften Vorstellungsvermögen allein durch seinen Klang Bilder von Sardellen, Schrapnellen, Sarin, allerhand dermatologischen Unseligkeiten (Soren, Papeln, Schrunden und Pimpernellen) und einem mittelalterlichen Folterinstrument (so Ding mit verniedlichendem Namen, das einem irgendwo hingesteckt wird und dabei Unaussprechliches anrichtet) herauf – alles freilich wenig naschfreudig stimmende Dinge – letztere erinnert natürlich an Chambers' grauenhaften und unheilverkündenden „King in Yellow“ in seiner verfemten Kutte. Schnell fort mit der schrecklichen Pelle und einen unspektakulären, leicht unterformatigen, schokobezogenen, schwachgewellten Barren herausgezogen, der nur sehr dezent nach nicht höchstwertiger Schokolade riecht.

 Mundhaptik: Man bricht leicht durch die Ringkontur einer schwächlich ausgeprägten Waffelhüllschicht, die für sich genommen eher verhärmt und hohl imponiert und wohl lediglich dem riegelarchitektonischen Zweck dient, einen Hohlraum zu bilden, auf dessen äußerer Fläche sich eine Schokoladenversiegelung der gesamten Riegelstruktur anbringen und in dessen Innerlichkeit sich die knochenmarksfarbene Haselnusscreme, die die Hauptattraktion von Sarelle ist, unterbringen läßt. Außerdem liefert das trocken-reibende Zerbrechen der Waffelschicht eine interessante perkussive Begleitung, sowohl mundhaptisch als auch akustisch, für den Verzehr des pastösen Cremekerns. Das alles ist brav, unspektakulär und in Anbetracht türkenriegel und -politischer Negativantizipationen erleichternd unschrecklich.

Geschmack: Gar nicht mal so übel. Fast lecker eigentlich. Naja, doch, schon lecker. Wenn man erstmal Hülle und Angst zur Seite geschoben hat. Angenehm süß und nussig, vollmundig fast und gut ausgewogen. So wie die Türkei halt: vom äußeren Anschein und oberflächlichen Eindruck zu urteilen derzeit nicht wirklich einladend, ja eher abschreckend, mit all dem Säbelgerassel, der Megalomanie und ideologischen Vernageltheit des kleinen Manns vom Bosporus, der bärtigen Istanbulette, dem Zwergpinscher mit Riesenschnauzerego. Doch wenn man erstmal und trotzdem drin ist, ist es nicht nur gut auszuhalten, sondern schon sehr schön. Wenn man sich doch nur von der ganzen Häßlich- und Garstigkeit befreien und seine inneren Schätze wieder mit offenen Armen und Herzen der Welt darbieten könnte.

 Fazit: Man soll ein Buch nicht aufgrund seines Umschlags, einen Riegel nicht aufgrund seiner Hülle und ein Land nicht aufgrund seines Tyrannen bewerten, heißt es. Macht man aber trotzdem oft und verpasst etwas. Wer aber hat Schuld daran?