Freitag, 8. Dezember 2017

Riegelverkostung – Almond Joy



Was steht drauf: Milk Chocolate, Coconut & Almond

Hüftgoldfaktor: 220 Kalorien dat Stück

Erster Eindruck: Mandelfreude. Ein so scheinbar einfaches Wort, ein vermeintlich so naheliegender Name für einen Riegel mit Mandeln stürzt mich sogleich in tiefe epistemische Verwirrung. Von welcher Freude mag hier die Rede sein, von der, die mir der Verzehr durch das enthaltene Mandelgut bereiten soll oder gar jener, die, wem? den enhaltenen Mandeln oder doch der Mandel als platonischer Idee zu empfinden zugetraut wird, wenn dieser Riegel seinem Zweck, der ja notwendig seine Vernichtung, seine Verendlichung beinhaltet, zugeführt wird? Gehört das Verzehrtwerden mithin zum kant’schen Zweck an sich selbst der einzig zu Verzehrzwecken gepflanzten Mandel oder ist er bereits in der seinsmäßigen Mandelhaftigkeit, aus der grundsätzlich Verzehrbarkeit emergiert, enthalten? Und was ist mit der Kokosnuß? Wieso ist sie nicht Teil des Namens? Weil sie weder Freude bereiten noch empfinden kann oder soll oder weil man sich aus unbekannten Gründen der Asymmetrie der Beurteilbarkeit dieser Frage bei ihr weniger gewiß ist als bei der Mandel und sie daher provisorisch unbeurteilt läßt? Wie ein fragender Mund und zwei schräggestellte Mandelaugen darüber starren einen die Abbilder der Zutaten von der in verschiedenen Blautönen gehaltenen Umverpackung an und werfen die Frage auf den Esser zurück, der im Inneren derselben, auf einer weißen Papplade drapiert, zwei kurze, pseudoovale Schokoschiffchen vorfindet, auf denen je zwei Mandeln liegend unter Schokoguß festgehalten sind. Und während sich jene Mandeln durch ihren Umriß verraten, bleiben sie doch unriechbar, wo vom Schiffchen bereits eine leichte Kokosbrise herweht.

Mundhaptik: Ich weiß auch, wie die Schiffchen heißen: Bounty, ohne Zweifel und die Mandeln sind als blinde Passagiere an Bord, die zu inert, zu phlegmatisch und unwirksam sind, um eine Meuterei auszulösen. Denn diese Chose kaut sich keinen Deut anders, als jener vulgärkaribische Allerweltshalbriegel, dem man aus unerfindlichen aber wahrscheinlich neckisch gemeinten Gründen zwei jener Rosaceasamen oktroyiert hat. Es bietet sich dem Munde  also ein halbzähkauiges, koksfaseriges nicht unangenehmes Kaugut, in dem, je nach Abbißstelle, mal mehr, mal weniger Mandelknack enthalten ist, was aber weniger Freude als milde Irritation verbreitet.

Geschmack: Die Freude an der Mandel kann hier wohl nur ein von seinen Fesseln freigesetzter platonischer Höhlenbewohner empfinden, der sich von der Allgegenwart der seinen Horizont aus Kavernenwänden füllenden, ja erfüllenden und alles andere überstrahlenden Kokosprojektion abgekehrt, sich umgewandt und beim Lichte der Idealwelt in der tiefsten geschmacklichen Tiefe der Wirklichkeit die reine Idee der Mandel geschaut hat. So furchtlos, messerscharf und genau muß man schon hinschmecken, wenn man im breiten, dröhnenden, beherrschenden, leicht schokolierten Kokosgewitter, das sich aufmerksamkeitheischend über den Geschmackspapillen entlädt und sie in Bann schlägt, das dünne, ephemere Fistelarömchen der Mandelidee aufnehmen will, welches zumeist nicht einmal mehr und nicht eigenständiger ist, als bloß die Summe des Nicht-Kokosseienden.

Fazit: Mandelfreude bezeichnet also die Freude, über den eigenen epistemischen Mut, die aufgebrachte metaphysische Sinnenschärfe, derer es bedarf, sich aufzuraffen und scheinbar gegen alle Vernunft einen Funken vor der Feuersbrunst, einen Tropfen im Wolkenbruch, ein Blatt im Urwald aufzufinden. Ich gehe jetzt zurück in die Höhle um zu verkünden, was ich gefunden habe. Man wird mir keinen Glauben schenken.



Freitag, 17. November 2017

Riegelverkostung - York

Was steht drauf:  "Get the sensation", 70% Less Fat!, Dark Chocolate Covered Peppermint Pattie

Hüftgoldfaktor: 150 Kalorien dat Stück

Erster Eindruck: Der Riegel zum Auto oder was? Daran mußte ich denken, als ich das "York"-Logo: weiße Schreibschrift auf blauem Grund in weißer Umrandung sah, erinnert es doch höchst auffällig an das Logo des Blechkutschenherstellers mit dem Namen jenes 38. US-Präsidenten, der als einziger bisher nicht in dieses Amt, in dem er nur 895 Tage diente, gewählt wurde. Doch auch der Name des Riegels, eine Silbe, vier Buchstaben, in der Mitte "or" ist zu ähnlich, als daß ich an einen Zufall glauben könnte. Die metallisch spiegelnde Umverpackung, die natürlich an eine silbrige Karosserie erinnert, vervollständigt den Eindruck, der sein i-Tüpfelchen schließlich durch einen jener leeren, generischen, allverwendbaren und ebensogut wie -schlecht zu den rollenden Produkten des großen Karrossenschmieds wie zu einem Schokoriegel oder auch Wanderschuhen, einem Bratschlauch, in dem Entenbrust besonders zart wird oder Feuchttüchern mit der Duftnote "Preisselbeere" passenden Reklameslogans erhält: "Get the sensation".
Man fragt sich nur, was die Naschwerkproduzenten dieser Welt bloß an der Stadt York so überaus schokoriegelnamenwürdig finden, das ist jetzt der dritte, der mir unterkommt, der so oder so ähnlich heißt. Und dabei ist, wie man nach Packungsöffnung sogleich gewärtigt, "York" nicht mal ein Riegel, sondern drei in eine dünne Pappschiene geladene, runde, zartbitterschokoldenüberzogene Taler. Da hätten sie doch, schließlich hat ein Kfz ja derer ebensoviele Räder, vier Taler beigeben können, denkt man sich, während man unverwundert einen ganz und gar an After Eight erinnerenden Duft aus den Talern wahrnimmt.

Mundhaptik: Die Assoziation hält auch hier, denn York kaut sich, wie ein Ford sich fährt. Nicht überraschend, nicht spektakulär, einfach, erwartungsgemäß, schlicht, beflissen, eintönig, alltäglich, man könnte sagen: normal. Der Taler ist gefüllt mit einer festen, weißen Masse, die nichts mit dem gediegenen Edelfluidium derer "Nach Acht" zu tun hat, sondern eher an nachgiebigen, ja demütigen Kokosmölm erinnert. Form- und konturlos leistet es dem Zerbissenwerden keinerlei Widerstand und auch Zergehenlassen geht. Es wird York sein, was die York-Arbeiter in den York-Fabriken in den Mündern wenden, wenn sie ans Werk gehen, York zu machen.

Geschmack: Ein wirklich keiner weiteren Erwähnung würdiger Sangesmann bot dereinst die Zeile an: Mit Pfefferminz bin ich Dein Prinz. Dies ist nicht nur ein denkbar fader Reim, sondern, zumindest bezogen auf York, eine Aussage, der die Eigenschaft zukommt, daß sie nicht stimmt. Denn der entschieden unleugbar vorhandene Pfefferminzgeschmack dieser Taler ist nicht von Adel sondern von Brachialität. Im Gegensatz zum feiner ausgewogenen britischen Täfelchen überspachtelt er unsensibel jeden Hauch von Schokoladengeschmack, drängt sich rüde und tölpelhaft in den Vordergrund und wirkt so auf die gleiche unerfreuliche Weise aufdringlich, wie der Geruch in einem Auto, an dessen Innenspiegel 4 Vanille-Duftbäumchen zu hängen, dessen Nutzer unerlässlich dünkte. So kommt einem die Ostentativität der pfefferminzenen Allgegenwart Yorks vor, wie das Geld eines Lottogewinners aus bildungs- und etikettefernen Schichten: in seinen Händen, mit denen er nichts anderes halten und vorzeigen kann, weil er nichts anderes hat, wirkt es ordinär, unfein und weniger wert als hätte es jemand, dem es weniger wichtig ist.

Fazit: Taler, Taler, Ihr müßt wandern, sucht zum Loben Euch 'nen ander'n. Wenigstens habe ich jetzt frischen Atem.


Freitag, 27. Oktober 2017

Riegelverkostung – Turtles

Was steht drauf: „The Original Caramel Nut Cluster“; Original Pecan, Milk Chocolate with Creamy Caramel and Premium Pecans; Classically Crafted Since 1916; 3 Pieces

Hüftgoldfaktor: 83,3 Kalorien pro Verzehreinheit

Erster Eindruck: Da kam also einer auf die Idee, mitten im Ersten Weltkrieg damit zu beginnen, ein in Einzelbatzenform daherkommendes Schokonaschwerk namens “Schildkröten” herzustellen. Liegt ja auch nahe. Ebenso nahe jedenfalls, wie die Batzen in ein schildkrötenrotgoldenes Mäntlein zu kleiden. Der Name rührt sicher von der überaus entfernten Ähnlichkeit mit der rücklings mitgeführten Wohnstatt und Schutzbehausung jener traditionell gemächlich ihr Tagwerk verrichtenden Sauropsiden her, dabei kommen die bezeichneten Knubbel leider ohne schmucke Musterung und ohne Extremitätenöffnungen daher. Angesichts der Form der aus ihrer Hülle befreiten und auf einer vornehmen Pappzunge servierten Batzen hätte man sie daher wohl besser „Helmets“, „plattgekloppte braune Wanzen“ oder „Zwergenfeldherrenhügel“ geheißen. Und wie sie da in ihrer reptilienhaften, poikilothermen Stoik am Tageslicht liegen, lassen sie nur einen eher schwach ausgeprägten Schokoduft wahrnehmen. Es spannt sich also hinsichtlich der Verzehrvorfreude durchaus eine gewisse kognitive Dissonanz auf zwischen den Polen überaus schmackhaft klingender Ingredienzen und dem eher schäbigen, ungrazilen, ungeschaffenen Äußeren des in Angeschmack-zu-Nehmenden.

Mundhaptik: Den Bruchteil einer Sekunde denkt man beim ersten Anbiß: „Oh nein, Lebkuchen!“, denn die Schneidezahnhaptik der Batzen mutet ganz kurz und ganz zu Beginn exakt so an, wie der Biß in einen jener unvermeidlichen, wenig geliebten, oblatenfundierten und ebenfalls formhalber schildkrötenpanzerremineszenten, schokoüberzogenen Jahresendgewürzteigtaler. Doch diese mißliche Assoziation löst sich sofort in Wohlgefallen auf, wenn sich die Verzehrmasse nach ein paar Kieferschlägen sogleich in einen nußknackig-karamellkauigen, exakt angenehmen Kauwiderstand leistenden Mundschmeichler verwandelt, der gutmütig und in eigenweltlicher Behaglich- und Behäbigkeit, ganz Schildkröte also, in den kauenden Hallen auf und ab watschelt, bis er schließlich die Reise den großen Fluß herab in den Schlund antritt. Dieses innerorale Geschehen hat etwas so stillvergnügtes, selbstgenügsames, rührend-argloses, daß man sogleich einem Verein zum Schutz bedrohter Testudinata beitreten möchte.

Geschmack: So wie der Panzer der Schildkröte ihr zu Schutz und schmuckvoller Aufbewahrung ihrer wertvollen Innereien dient, so beherbergen diese reizlosen, unscheinbaren Klötzchen das eigentlich Wichtige dieses Naschwerks in ihrem Inneren: Pekannußstücke! Diese etwas streng und sonderbar und sehr eigen mundenden Hickoryfrüchte schmecken einen aus dem fein auf sie abgestimmten und sie gut zur Geltung bringenden Passepartout aus Schokolade und Karamell mit eigentümlich starrer Intensität an. Es fühlt sich an wie die geschmackliche Entsprechung des vorwurfsvollen aber auch resignativen und doch milde verzeihenden Blicks aus den feuchten, unergründlichen Augen des letzten Exemplars einer Schildkrötenart, die mit ihm zusammen aussterben wird, der Dir sagt: „Ihr habt uns ausgerottet, totgeschlagen und aufgegessen wo immer ihr uns fandet, wir haben keinen Widerstand geleistet und mit mir stirbt die letzte von uns, das Leiden hat jetzt ein Ende. Doch ich zürne Euch nicht, Ihr seid nur Menschen, eine junge, brutale und jammervoll verworfene Spezies, die sich dereinst, als erste und einzige Art in der Geschichte des Lebens, ihr eigenes Ende bereiten wird – wir vergeben Euch, denn Ihr wißt es nicht besser…“. Genauso schmecken Turtles.

Fazit: Ein sehr besonderes Naschwerk oder: drei Batzen für melancholisch-nostalgische Hobbyherpetologen.




Freitag, 20. Oktober 2017

Riegelverkostung – SKOR

Was steht drauf: Delicious Milk Chocolate / Crisp Butter Toffee

Hüftgoldfaktor: 210 Kalorien dat Stück

Erster Eindruck: Das also ist der Riegel des verruchten Hauses Skor aus den sonnenverwöhnten mörderischen südlichen Reichen. Haus Skor, mit seinem Wappen der goldenen Krone auf schwarzem Grund vor blutroter Sonnenscheibe, das sich auch auf der rabenschwarzen Riegelumhüllung findet. Schwarz, wie die fruchtbare Erde dieses Landes, Schwarz wie die nächtlichen Gewänder seiner Bewohner und Schwarz wie ihre verdorbenen Seelen, worin es sie in ihren in längst vergessene Zeiten zurückreichenden Fehden nach Blutrache und bitterer Vergeltung dürstet. Und so wie das Land der Skor, flach und weit und dunkel, den Boden durchsetzt mit güldenen Erzen, daraus sie vor Äonen ihre berüchtigte Krone schlugen, so wird auch ihr Hofriegel dargestellt. Zieht man den Naschbarren aus seiner Scheide, offenbaren sich auf seinem schokoladenen Überzug dieselbe komplizierte und kunstvoll intarsierte Ziselierung, die selben beiden paarigen Blutkehlen, die die skorischen Waffenschmiede seit Menschengedenken ihren gefürchteten schwarzen Schwertklingen eintreiben. Der sparsame Schokogeruch dieses Hungertöters, dieses Notung unter den Süßwaren, hat etwas strenges, diszipliniertes, bitteres und versagt die Preisgabe jedes Hinweises auf noch in ihm verborgene Schätze.

Mundhaptik: Man kaut hier eine Allegorie auf das Leben, wie es die Skorer nicht anders kennen. Unter einem hauchdünnen bittersüßen Firnis, hinter einer vordergründig den Schein wahrenden, milde gefälligen aber doch fast durchscheinenden Fassade wartet nur beinerne, unnachgiebige karamellene Härte, alle Härte eines Lebens, das kurz ist und spröde und bei aller Härte doch so zerbrechlich. Ein Sprichtwort in Skor lautet nicht umsonst: Wenn Du fällst wird nur der harte Grund Dich fangen. Schon früh händigen skorische Mütter ihren Kindern diese Riegel aus, damit sie daran lernen, nicht zu stürzen: Skor kann man nicht kauen, nicht genießerisch am Gaumen zerdrücken und zergehen lassen, nein, man muß ihn brechen und zertrümmern, muß seine Struktur zerstören, um ihn herunterzubekommen und wie das Zersplittern und Zerspringen spröden Schiefers, das schleifende Zerriebenwerden scharfkantigen Splitts tönt es aus dem sich abmühenden Mund, in den man einen Skor gestochen und in dieser Wunde abgebrochen hat.

Geschmack: Wenn man sich aber dieser gnadenlosen, harten Lebensschule, dieser peroralen Splitterbombe, den Zumutungen dieses grimme Züchtigung gewordenen Naschwerks duldsam unterwirft, so entfaltet es mit seinen zerschellenden karamellenen Schrapnellen ein ernstes, röstnotenreiches, firmes und lange, wie ein Echo nachklingendes Geschmackserlebnis aus reinem, vollbandigem, breitwandigem und alle denkbaren dieser Substanz zuzueignenden gustatorischen Farben und Schattierungen einendem Karamell. Es ist, als wollte Skor uns lehren, Schönheit auch noch im Allerkärgsten zu suchen, als wollte es uns die bittere Erkenntnis unserer kleiner Leben Kürze mit einem süßen, letzten Epitaph vergelten:

Vielleicht, daß wir durch Skores Härte gehen,
in karger Süße, wie ein Erz allein,
und sind so tief, daß wir das Ende sehen
und alle Fernen wurden Nähen
und alle Nähen werden Stein.

Fazit: Skor zu essen ist so paradox, wie sich an einer versteinerten, stoisch-nihilistischen Ethik zu erfreuen, die lehrt, daß Hoffnung für die Schwachen ist und sich, die Hoffnungslosigkeit während der zwei Wimpernschläge, die das Leben andauert, umarmend, an der eigenen Stärke zu erfreuen. Man muß sich Sisyphos als einen Skor-Esser vorstellen.




Freitag, 6. Oktober 2017

Riegelverkostung - [unbekannt 2]

Dieser Kamerad unleserlichen Namens wurde in Südkorea verhaftet und reiste mit mir zurück ins Land der Langnasen, wo er seinem gerechten Verzehr zugeführt wurde.

Was steht drauf: Premium und allerhand koreanisches Kauderwelsch.

Hüftgoldfaktor: 180 Kalorien dat Stück.

Erster Eindruck: Offenbar ein Akademiker-Riegel. Man verzichtet hier auf grelle Farben, wüste Logos, Abbildungen des bereits angebissenen Riegels und was der optischen Zerstreuungen und hyperbolischen Annoncen sonst auf Schokobarrenumverpackungen gerne zu finden sind. Stattdessen kündigt feine goldene Schreibschrift in gebildet wirkenden lateinischen Lettern ein "Premium"-Produkt an und selbst die rote Sprechblase, die der koreanische Riegelname von sich gibt, trägt einen Doktorhut. Das ganze findet auf einem pastellgelben Hintergrund statt, auf dem an Notenblätter erinnerne Linierungen Orientierung und Struktur verleihen. Es ist anzunehmen, daß es sich bei dieser Verzehreinheit um die selbst von koreanischen Tigermüttern gutgeheißene Ernährungsergänzung handelt, mit der die kleine Shin-Li nach einem 12-Stunden-Tag an der Uni, wo sie mit 6 schon Medizin studiert, sich vor dem abendlichen Violinmeisterkurs rasch den ansonsten allzu dissonant belfernden Hungerdämon austreiben darf, aber nicht überteiben (nur 180 Kalorien), man will ja die Teilnahme bei der Miss Sokcho-Wahl nicht gefährden.
Nach Abstreifen des gestreiften Leibchens kommt ein kurzer, kompakt anmutender, eher scharfkantiger Schokoquader zum Vorschein, der mit mittelfeinen Schokowellen überzogen ist und in seinem korrespondierenden Schokoaroma unterschwellige Nußanteile enthält. Sicher ist die Zusammensetzung des Riegels wissenschaftlich auf maximal effizienze Leistungssteigerung hin optimiert.

Mundhaptik: Ein Kaugefühl wie eine asketische Studierstube. Aufgeräumt wirkt das Riegelinnere, ordentlich, spartanisch fast. Unter der oberen Schokoschicht liegt eine ganz dünne karamellartige Lamelle, der man aber das barocke, wonnevolle Fädenziehen ausgetrieben hat. Sie ist nonfluid und kompakt und wirkt wie ein schurwollener Läufer auf kaltem Parkett vor hartem Bett. Direkt unter der Lamelle sind über die Riegellänge hintereinander einzelne Erdnusshälften angeordnet, wie die wenigen, kargen Möbel derer der Zögling in seiner Klause bedarf. Diese Nüsse sollen keine Freude sondern satt machen, sie haben einen Zweck, ihre Anzahl ist bekannt, sie sind berechnet. Das harte Bett schließlich, das die Naschentsprechung einer kurzen, traumlosen und effizienten Nachtruhe ermöglichen soll, bildet den Hauptteil des Volumens: eine Schicht einer cremehellbeigen Candymasse, die zu trocken, zäh und porös ist, um noch als Creme durchzugehen und einen süffig-kauigen Schmausespaß zu vermitteln, aber dafür sicher nahrhaft, vernünftig und ausgewogen ist. Beim Kauen des ganzen denkt man unvermittelt an all die Dinge, die noch zu tun sind, all die Pflichten, die noch der Erfüllung harren, all das Ungetane, durch das man schwer und wie gebunden geht.

Geschmack: Wie ein Snickers, dem man die Seele geraubt hat oder das an karoshi gestorben ist und nun spukend das Naschregal heimsucht, ein bißchen süß, ein bißchen erdnussig, kaum schokoladig und null karamellig. Das Ding schmeckt unmißverständlich auf eine genußverweigernde Weise. Da ist nichts ausladendes, nichts übersüßes, nichts schmackofatziges. Es ist ein ferner, ein zähneknirschend zugestandener Geschmack, der gerade eben über die Notwendigkeit, sich hiermit ernähren zu müssen, hinwegrettet und ich stelle mir die enttäuschten Mandelaugen jenes kleinen Geigenmädchens vor, daß sich nach einem langen Tag auf harten Hörsalhockern auf einen Schokoriegel freut, um sich für's Fideln zu stärken und das dann nur diesen asketischen schmeckenden Laumann, diese dionysische Verneinung, diesen mageren Freudenknauser, diesen armen, blassen Nährholm in ihrer Tasche findet. Verdrießliche Effizienz ist keine Geschmacksrichtung, die ich schätze.

Fazit: Ein Riegel wie eine von einer blechernen, herrischen Stimme geleierte Durchhalteparole. Da kommt keine Freude auf.



Freitag, 15. September 2017

Riegelverkostung - [unbekannt 1]

Dieser Kamerad unleserlichen Namens wurde in Südkorea verhaftet und reiste mit mir zurück ins Land der Langnasen, wo er seinem gerechten Verzehr zugeführt wurde.

Was steht drauf: "Almond & Peanut" und allerhand koreanisches Kauderwelsch. Mit Ausrufezeichen!!

Hüftgoldfaktor: 249 Kalolien dat Stück

Erster Eindruck: Der unsterbliche Elolras, vermutlich ein mandeläugig-enigmatischer Elf der das Versteckspiel liebt, sendet uns diesen Riegel aus Fernost. Dieser Eindruck drängt sich ja förmlich auf, wenn man den im rotblauen Habit daherkommenden Naschbarren einmal um 180° propellert und sich der vermeintlich koreanische Schriftzug, weiß auf blauem Grund, in "Elolras" gefolgt vom ägyptischen Henkelkreuz, dem Symbol für Unsterblichkeit, verwandelt. Aus dem comichaft dargestellten Riegelquerschnitt schießt einem schon ein vorwitziges Mandeltorpedo entgegen, dessen Form an eines jener Einmann-Unterseeboote erinnert, die in der Einsamkeit der tiefblauen Abgründe der Ozeane, weit entfernt vom Mutterschiff, schweben und nach etwas versunkenem suchen. Es ist, als greife der Riegel nach einem, das Verzehrtwerden, Einswerden mit dem Verzehrer herbeiwünschend. Vielleicht ist es genau das, was Elolras, der uns auf dem Riegel eine geheime Botschaft sandte, ersehnt, weil sein Geist darin gefangen ist und man ihn mit der Aufzehrung dieses seines Gefängnisses endlich vom Fluche der Unsterblichkeit freisetzen kann. Man weiß es nicht, aber naheliegend ist es sicher.
Unter der Schutzhülle kommt ein von der Reise nicht ganz unversehrter aber doch einfacher und unspektakulärer Korpus zum Vorschein, der auf einer leichten Schokothermik bereits olfaktorische Handreichungen seines erdnussigen Inhalts preisgibt.

Mundhaptik: Es knacket die Mandel beim forschen Anbiß. Knack knack, knack knack... ich schweife ab, doch es knackt wirklich und dann wird es es auch gleich auf eine Weise zäh-kauig im Mund, die auf der einen Seite hart am kautschukartigen auf der anderen Seite haarscharf am Steppentrockenen vorbeischrammt und gerade eben noch angenehm bleibt. Es ist nicht auf- oder anregend, nicht gaumenschmeichelnd noch zungekosend, das Mundgefühl ist brav, pflichtbewußt, funktional, dem Zwecke untergeordnet. So stelle ich mir das Lembas-Brot der Elfen oder die mundhaptische Entsprechung des edlen achtfachen Pfades des Siddharta Gautama vor.

Geschmack: Eckstein, Eckstein, alles muß versteckt sein. Es ist dieser Barren doch wahrlich ein enigmatischer Schmausekumpan, so rätselhaft und fremd wie jenes ferne Land der Kirschblüten und der Morgenstille, aus dem er kommt und der schmeckt, als hätte sich ein Nuts in einem Snickers versteckt, in dem sich Mandeln versteckt haben. Letztere so gut, daß man sie nur an ihrem Knacken erahnen, nicht mehr aber an ihrem Geschmack auszumachen vermag, so wie man das Kind, das sich hinter dem Vorhang versteckt hat, nicht an den drunter hervorlugenden Schuhspitzen erkennen kann. Der Geschmackssinn wird so in ein Labyrinth geschickt, einen Irrgarten mit unzähligen Abzweigungen, Umwegen und falschen Fährten, in dem man immer, wenn man einen Ausweg erraten oder endlich das Versteck von Elolras gefunden zu haben meint und dem Pfade eilfertig folgt, wieder nur an eine Stelle gelangt, an der man schon war und begreift, daß man im Kreis gelaufen ist und schließlich zu verstehen beginnt, daß immer schon der Weg das Ziel und ein Ankommen nie vorgesehen war.

Fazit: Ein Riegel wie ein dharmisches Rätsel an dem Buddha sicher seine Freude gehabt hätte


Elolras, der Unsterbliche

Freitag, 31. März 2017

Riegelverkostung – Marvellous Creations „Rocky Mallow Road“



Was steht drauf: NEW Cadbury Dairy Milk

Hüftgoldfaktor: 240 Kalorien dat Stück.

Erster Eindruck: Die Nachtclowns haben den Krieg erklärt und ab sofort wird zurückgenossen. Anders läßt sich die Darstellungen auf der metallic-violett grundierten Umhüllung dieses Riegels wohl nur schwerlich deuten, denn unten im rechten Eck steht vor bestirntem Nachthimmel die albern aussehende und ganz aus Schokolade gemachte Zirkuskanone und kartätscht eine Garbe erdbeerroter Quader, rosafarbener Zylinder und keksbeiger Brocken auf einer das „Marvellous Creations“-Logo überspannende Parabelbahn ins Unbestimmte. Den dunklen Clown, der sie abfeuerte, wird man sich ja wohl noch selber dazu denken können. Ja ja, man weiß es ja, Marvellous Creations Riegel sind verrückt und machen keinen Hehl daraus, weshalb zu hoffen steht, daß jene Kriegserklärung nicht dem guten Geschmack galt.
Unter der Hülle finden sich die bekannten individuell und jeweils anders geformten und oberflächenstrukturierten Verzehreinheiten, die diesen Riegulanten (ein Hybridwort aus Riegel und Querulant) jedem Anankastiker einige schwere Momente bescheren lassen und zugleich sicherstellen wird, daß der avisierte Riegelcharakter als ausdrücklich unkonventionelles unangepaßtes Naschgut auch noch von borniertesten, holzhammervermittlungsbedürftigsten Verzehraspiranten erkannt wird.
Endgültig vervollständigt wird der Gesamteindruck des strategischen Nonkonformnaschmus’ durch den Geruch des braunen Barrens, der neben der üblichen breiten und tragenden Schokotonika – ich bin versucht, zu sagen: beängstigenderweise auch Erdbeerjoghurt-Obertöne enthält.

Mundhaptik: Würde man einem abendfeinen Gentleman im Smoking mit edlem Kummerbund und glänzenden Lackschuhen eine riesige Goldkette mit der strassbesetzten Buchstabenfolge YOLO umhängen und ihn mit einem roten Irokesen frisieren? Würde man mitten in der Mondscheinsonate kurz den Flohwalzer spielen? Würde man in einem vollendet-harmonischen japanischen Garten mit Pagode und Pergola ein neonfarbenes Aufblasungetüm aufstellen, in dem fettiger Nachwuchs schreiend zu planschen kommt? Nein. Das würde man nicht. Warum also in einen Riegel aus an sich feiner Grundschokolade zähe rote Erdebeerbatzen, schwammige rosane Minimarshmellows und mehlig-trockene Bisquitfragmente hineindilettieren? Weil man anders sein will, ja, ja, ist verstanden worden. Kann man ja ruhig so machen, aber dann isses (und ißt es sich) halt Kacke.

Geschmack: Jetzt wünscht man sich fast, es wäre anders. Denn dieser schräge Fürst von einem Riegel schmeckt genau so, wie man erwarten würde, daß eine Mischung aus Schokolade, Erdbeerkonfekt, Marshmallows und keksoidem Gebrösel schmeckt: so mittel. Krachsüß und gar nicht mal so stimmig, wenn nicht sogar eine Idee verstörend. Und während man sich so kopfschüttelnd durch diese krude Melange mampft, sieht man vor seinem geistigen Auge förmlich die maliziösen Nachtclowns neben ihrer Kanone bei der Vorbereitung dieses naschklearen Erstschlag auf Geschmack, Sinn, Verstand und Ratio und auf die Frage ihres düster-lustigen Anführers Che Gue-HAHA „Wat muß denn wech?!“ beginnen sie, das Geschütz mit all jenem Zeug zu stopfen, das noch seit letztem Fasching ’rumliegt und das selbst sie nicht mögen.

Fazit: Ein Schokoriegel so beunruhigend und verstörend, wie die Träume nach einem viel zu schweren Essen mit reichlich Pilzen, das man mit 3 Absinth und einer halben Packung Nelkenzigaretten auf ex und  Lunge abgeschlossen hat, wonach man zu einer CD mit Infraschall, Walgesängen UND Free Jazz eingeschlafen ist.



Freitag, 24. März 2017

Riegelverkostung - Yorkie Original



Was steht drauf: no artificial colours*, flavours or preservatives; Chunky with Chocolate; Man Fuel for Man Stuff

Hüftgoldfaktor: 249 Kalorien dat Stück

Erster Eindruck: Was weiß man schon über York? Sie haben ein kolossales Münster dort, das ebenso klotzig und gravitätisch - nur weniger gelb – die „ewige Stadt“ beherrscht, wie die blutrot umrandeten Lettern des Yorkie Schriftzugs die Hülle dieses Riegels auf ihrer Grundierung im melancholischen, tiefsten Ozeanblau.
Düster, scharf und mit verweigernder Gebärde ganz wie die Zinnen, Scharten und Erker jener gotischen Kathedrale der nördlichen Reiche ragen auch die amputiert und unvollendet wirkenden Schokoladentrapezoeder von Yorkie aus einem flachen, glatten Schokoladenfundament in die Höhe. Betrachtet man die fünf gleichförmigen Höcker eine Weile lang, bis der Blick verschwimmt, so vermittelt sich unwillkürlich der Eindruck tiefster, tiefster Einsamkeit, der Einsamkeit verlassener, vergessener, moosbedeckter Grabeshügel lange schon namenloser Toter in einem uralten, wilden Tal, dessen Stille nichts und niemand mehr zu stören wagen darf.
Auch sein Geruch kündet von Sehnsucht und Vergängnis. Etwas schweres ist darin und etwas altes, das zu verharren scheint und zurückbleiben und uns vergessen wird, wenn wir gegangen sind.

Mundhaptik: Yorkie sei, so heißt es, Männer-Kraftstoff für Männersachen. Damit kann nur das Beißen und Kauen von Yorkie gemeint sein, das in etwa die mundhaptische Entsprechung der Tätigkeit jener Schwerstarbeiter sein dürfte, die seinerzeit die Meilen um Meilen eiserner Trassen legten, welche jenen Ort der Eibenbäume mit dem Herzschlag der Welt verbinden sollten. Und so wie ihr Leben, einfach und hart, verspeisen sich auch die fünf coupierten Monolithen Yorkies, die aus reiner, unverfälschter, unverzierter Schokolade bestehen, ohne Talmi und Schierschandudel. Man gehet hier durch schwere Berge, in harten Adern wie ein Erz, allein.

Geschmack:  Das gustatorische Unisono der schokoladenen Ausschließlichkeit im Geschmack dieses Riegels unterstellt uns für einen Augenblick der großen Melancholie endloser Ebenen, die sich wie ein braunes Mönchsgewand um all das ungelebte Leben legt. Und solange wir noch schmecken, schweifen unsere Blicke sehnend über jene fernen Horizonte, die wir Lebenden, so weit wir auch wandern, doch nie erreichen können...

Fazit: Yorkie zu essen entfesselt die Saudade des Nordens, das nostalgische Gefühl, etwas Geliebtes verloren zu haben, die leise aber unwiderlegliche Ahnung vom Unglück und der Gewißheit, die Sehnsucht nach dem Verlorenen niemals stillen zu können, da es wohl nicht wiederkehren wird…




Freitag, 3. März 2017

Riegelverkostung – Korovka



45 Was steht drauf: Cremiger Milchgeschmack – Baked milk taste; 2 Waffelriegel, 2 Wafer sticks in pack, Keine künstlichen Farbstoffe

Hüftgoldfaktor: 137 Kalorien pro Einzelriegel

Erster Eindruck: Da, da, wen will denn der Tovaritsch Russkie hier hinters Licht führen? Soll man sich so, wie auf der Verpackung dargestellt etwa Rußland vorstellen? Schöne blaue Himmel mit gemütlichen weißen Wattewölkchen über sanft geschwungenen, sattgrünen Hügeln, auf denen in Sichtweite eines pittoresken Dörfchens mit uriger Windmühle eine dicke, braungescheckte Kuh zufrieden lächelnd ein gewaltiges Gänseblümchen mümmelt? Darunter appetitlich angerichtete Schokoriegel nebst sonnengereiften Weizenähren auf stilisierten Wellen aus Milch? Come on!
Realistisch wäre doch wohl eher der aufgeplatzte und madendurchwühlte Kadaver eines verhungerten Milchviehs auf einem elenden, versalzenen Flecken unfruchtbarer Erde im sauren Regen unter einem schwärenden, fabrikabgasgrauen Himmel, in dessen brandigem, aufgetriebenen Wanst sich struppige Aaskrähen um die letzten Fetzen fauligen Pansens balgen, während im Hintergrund ein Journalist von einem 5-köpfigen und 8-zähnigen Bauernmob mit Hämmern und Sicheln im flackernden Schein einer in Brand geratenen Schwarzbrennerei aus seiner Datscha gejagt wird, der man sogleich den roten Hahn aufs Dach setzt, um dort einen neuen, noch größeren Thron samt Pferdekoppel für Vladimir den ersten und schrecklichen errichten zu können.
Aber vielleicht tue ich dem Riegelfreund ja auch unrecht, also mal runter mit dem Mäntlein und sogleich einen schlanken, schwach oberflächenstrukturierten Schokowaffelbarren, breit wie Stalins Schnorres, freigelegt, der interessanterweise weniger nach Schoko als ganz distinkt nach der weißen Phase in jenem schwarz-weißen Brotaufstrich aus Kindertagen duftet.

Mundhaptik: Tja, im Osten nix Neues, würde ich sagen. Speist sich exakt so, wie man es von in einen dünnen Schokojanker gewandeten Waffellamellen erwarten würde, derer vier übereinander gestapelt mittels der olfaktorisch schon antizipierten Milchcreme an- und relativ zueinander befestigt und stabilisiert sind. So knuspert und bröselt es leidlich daher und mit etwas Phantasie und nichts besserem zu tun könnte man versuchen, aus dem trockenen Geknarze und Gekrache aus dem eigenen Mund so etwas herauszuhören wie: Tovaritsch Pschemek wijellst Du Mijellchkrrremschnijette!?

Geschmack: Das Dörfchen eben war wohl doch nur ein potemkinsches, denn das bukolische Taiga-Idyll seiner Verpackung läßt sich dieser geminiden Knusperkolchose nun beim besten Willen nicht abschmecken. Zu einer vordergründigen, industriellen Grundsüße gesellt sich widerwillig und zögerlich und dabei eventuell anklingende Schoko- oder Waffelnoten feist wegspachtelnd ein überaus künstlicher Cremegeschmack, der in etwa soviel mit dem Geschmack des beliebten weißen Paarhufersafts zu tun hat, wie die Figur einer Babuschka-Puppe mit 90-60-90, wie eine Stalinorgel mit einer Silbermannorgel oder wie russisches Roulette mit einer richtig guten Idee. Das ganze schmeckt zwar nicht gerade übel, aber eben so aufregend oder überraschend, wie eine zweistündige, schwarzweiße Dokumentation aus den 70er-Jahren über das allmähliche Schalwerden lauwarmen Wassers auf Russisch mit usbekischen Untertiteln zu sehen. Ohne Russisch zu können, versteht sich. Und Uskbekisch.

Fazit: Etwas mehr Glasnost bei der Verpackung, dann klappt’s auch mit der Perestroika beim Geschmack. Sa starovje noch eins!



Freitag, 24. Februar 2017

Riegelverkostung – Moro Gold

Der im Folgenden zu verkostende Riegel wurde mir von Dina aus Australien mitgebracht. Dafür Dank.



Was steht drauf: A fistful of biscuity awesome crunch / Smooth Choc Packed with Biscuits Rolled in Chewy Caramel, All covered in Cadbury Milk Chocolate

Hüftgoldfaktor: 313 Kalorien dat Stück

Erster Eindruck: Einmal um die ganze Welt ist dieser Australier löblicherweise gereist bzw. gereist worden, um sich von mir vernaschen zu lassen. Dabei hätte er doch auch die Abkürzung durch die ganze Welt nehmen können, so sehr, wie mich die Abbildung des Riegels auf seiner blauenVerpackung an einen jener subterrestrisch rasenden Raketenwürmer erinnert. Wie ein aufgesperrter Schlund, geschürzt von einer goldgelben Karamellippe mit unregelmäßigen Bisquit-Zähnen darin scheint einen der Riegelquerschnitt förmlich anzuklaffen und zusammen mit seinem düster klingenden Namen „Moro“ daran zu gemahnen, daß, wenn man zu tief in den Riegel blickt, der Riegel auch in einen selbst zurückblickt.
Unter der Abdeckplane harrt dann der durch Grobheiten des Mitgeschlepptwerdens mannigfach gesprungene aber ansonsten glatthäutige, massiv anmutende und sich nach oben leicht verjüngende Moromonolith, dem neben dem typischen Cadbury-Schokoaroma noch eine andere, ungedeihlichere Duftnote entweicht, die etwas zugleich oxidiertes und raubtierhaftes trägt.

Mundhaptik: Die Mundhaptik läßt sich nicht anders beschreiben also so: man stelle sich vor, man ist ein prähistorisches, unterirdisch sich fortbewegendes wurmartiges Wesen, das mit Mund- und Kopfwerkzeugen sowie einer Körperform und -hülle ausgestattet ist, die es ihm gestatten, leicht und behende selbst durch festes, zähes Erdreich zu gleiten. Man stelle sich ferner vor, wie angenehm das warme, weiche Vorbeistreichen, die kosende und doch feste Umarmung jenes Grunds durch den man täglich geht, sich am Leibe anfühlen muß, wie prickelnd und belebend das gelegentliche Steinchen, das an einem entlangschubbert anmutet, wie befriedigend es ist, ins Immer-Feste vor sich einzugleiten, es dabei auflockernd und umwälzend zu verdrängen, sich Raum zu schaffen und es durchpflügend und an seinen Seiten hinter sich lassend wieder zu verdichten, wo es belebt wieder zur Ruhe kommt. Genau so ist es, Moro zu schmausen.

Geschmack: Wunderbar vollmundig, perfekt ausgewogen, zugleich karamellgolden und kontrabaßbehaglich schokoladig. Moro schmeckt, wie der Heimweg nach einem langen, staubigen Sommertag durch ein duftendes, westaustralisches Getreidefeld unter der gold-orangenen nicht mehr brennenden sondern nur noch wonnewarmen Abendsonne, wo das letzte Stück des Wegs in sanften Schwüngen abwärts geht, von wo man das unendlich vertraute hölzerne Farmhaus mit dem Schaukelstuhl davor und dem schiefen Windrad dahinter schon sehen kann, aus dessen langem Schatten sich gerade der träge, treue, alte Hofhund, der einen schon längst kommen gehört hat, erhebt, um einem wedelnd und zusammen mit dem Duft aus dem Steinofen, in dem gerade frisches Brot backt, entgegenzukommen. Moro schmeckt wie Friedensgeläut am Abend, wie eine schwielige, ehrliche, warme Hand, die einem schwer und tröstend auf die Schulter gelegt und lange nicht weggenommen wird, wie der Akkord, der auf „coming home“ in einem Country-Song gespielt werden muß, wie der bittersüße Augenblick in dem Fernweh sich endlich zu Heimweh wandelt.

Fazit: Was könnte schöner und befriedigender sein: ein Riegel reist um die halbe Welt und gibt mir, so fern von seiner Heimat, da er in seinem Vergehen mir ganz sich schenkt, das Gefühl, endlich, endlich nach Hause zu kommen.



Freitag, 13. Januar 2017

Riegelverkostung – Crunchie

Was steht drauf: „Get that Friday feeling with Crunchie; Milk chocolate with Golden Honeycombed Centre“

Hüftgoldfaktor: 187 Kalorien dat Stück.

Erster Eindruck: Wer wollte nicht schon immer das „Freitagsgefühl“ verspüren, indem er sich, wie ich es am heutigen Freitag dem 13. tue, einen Schokoriegel mit goldener Bienenwabenmitte zu Gemüte führt? Links und recht eingefaßt vom Cadbury-Lila prangt auf golden-spiegelndem Hintergrund der Name dieses leichtgewichtigen, schlanken und hohl wie ein Vogelknochen wirkenden Riegels in prallen und etwas unordentlichen roten Lettern. Ich bin wahrlich kein Paraskavedekatriaphobiker aber ein kleines bißchen beunruhigend, eine Winzigkeit unheimlich wirkt „crunchie“ schon, wie er so goldglitzernd mit bunten albernen Buchstaben beschriftet daliegt, vielleicht wie ein Clown, klein und leicht unscharf im Hintergrund eines Urlaubsphotos, den man erst viel später darauf bemerkt und der genau in die Kamera zu blicken scheint oder wie langsame und nur ein kleinwenig leiernde Zirkusmusik auf einer um einen Achtelton verstimmten Drehorgel. Der Effekt verfliegt rasch, wenn man crunchie sein Kostüm herunterzieht und einen appetitlichen Schokobarren mit leicht gewellter Oberfläche freilegt. Zuerst riecht er auch ganz harmlos nach Schokolade, nur wenn man ganz nahe herangeht und genau hinriecht, ist da noch etwas anderes, unbestimmtes, unnennbares in diesem Geruch, etwas verborgenes unter der Oberfläche, das lauert und wartet…

Mundhaptik: Knacks. So macht crunchie, wenn man ihn abbeißt oder besser –bricht, denn sein gesamtes Inneres ist komplett gefüllt von einem goldgelben überaus spröden Interieur, das auf Druck sofort abbricht und sich hernach krachend und crunchend zerbeißen läßt. Blickt man dann auf die Bruchstelle, findet man sich als Trypophobiker sicher unvermittelt in einem schokoriegelgewordenen Alptraum wieder, als Nontrypophobiker sieht man hingegen nur runde Löcher, die einem euphemistisch als Bienenwaben, die ja eigentlich hexagonal sind, angekündigt wurden. Und während man noch versucht, die heraufbeschworene Erwartung bienenwachsweicher Kaumasse mit dem trockenen Gekrache aus dem eigenen Mund in Einklang zu bringen, ist da wieder dieses kurze, beunruhigende Flackern in der Wahrnehmung, wie ein kleines, atmosphärisches Rauschen in einem Funkspruch, das wie ein fernes Ächzen klingt, wie ein einzelnes, gerade einmal Sekundenbruchteile sichtbares und nur unterbewußt wahrnehmbares Bild eines bleichen, haarlosen Gesichts mit aufgerissenem, lippenlosem Mund und starrenden toten Augen in einem fröhlichen, bunten Werbespot für Blütenhonig von glücklichen Bienen auf der Sonnenalm.

Geschmack: Überraschend ungruselig. In die sofort präsente, große Süße mengen sich nach und nach leicht künstlich wirkende Honignoten, dann etwas karamellen-röstiges und zuletzt der Schokoladengeschmack, lecker ist’s, und langsam löst sich dann die Anspannung, flaut das Unbehagen ab, schmeckt man wieder zutraulich hin, wenn man erleichtert feststellt, daß der Schatten unter dem Bett, die Silhouette im Zwielicht, das Rascheln im dunklen Keller doch nur Produkte der überreizten Einbildung waren, daß man sich getäuscht hat, daß das Leben wie gewohnt weitergehen kann, daß nun endlich – und das ist das Freitagsgefühl – das Wochenende kommen kann.

Fazit: ein Riegel wie ein langgezogenes, anschwellendes Streichertremolo eines bedrohlichen Gm(maj7)9-Akkordes, das dann einfach abbricht, ohne, daß jemand stirbt.