Was steht drauf: Latte cremoso
Hüftgoldfaktor: 160 Kalorien dat Stück
Erster Eindruck: Kaos italiano! Man darf sich, angesichts
der unordentlichen Vielfalt der Entitäten und Botschaften auf der
sommerhimmelblauen, persenninghaften Umhüllung dieses Naschwerks nicht einmal
seines Namens sicher sein. Ist er nun „Perugina“? Oder „Tablò“ und was hat die
„Latte cremoso“ damit zu schaffen? Und was der offenbar erst 1907 eingetroffene
(?) Pegasus und was die Stadt Perugia? Und erwarten einen im Inneren wirklich
jene abgebildeten dunkelbraunen, vierrundeckigen medianeingewölbten
Pastilloiden, die in Form und Farbe irgendwie an eine Hälfte dieser typischen
Dickbrillen aus den 60er, 70er Jahren erinnern und aus denen eine
fröhlich-liquide anmutende weiße Milch(?)haftigkeit herausperlt? Aber warum
sollte ein zumindest formhalber als schokorieguläres Produkt durchgehendes
Nascherzeugnis auch in und an sich stimmiger sein, als die Politik und generell
innere Verfaßtheit der Insassen des Landes, in dem es gegossen? Nichts paßt
hier zusammen, Farben, Formen, Aussagen, Botschaften, alles scheint in jeweils
entschlossener doch ebenso unverdrossener und vielleicht gar augenzwinkernder
Selbstbehauptung im unversöhnlichen Konflikt mit allem anderen zu liegen. Es
wird sich zeigen, ob, wie dem Land so auch dem Riegel das Wunder gelingen kann,
in der Summe dennoch ganz wunderbar zu sein.
Befreit man den Inhalt aus seiner Hülle, offenbar sich
Überraschendes: die Pastilloiden sind in Wirklichkeit vier zur Kette
verschmolzene olympischen Ringe (einen hatte man wohl leider der N’drangheta
schutzhalber aushändigen müssen…oder verloren), die bei genauer nasaler
Inspektion eine leicht plastilingeschwängerte Schokobrise aufgeben.
Mundhaptik: Ein Schwindel! Alles nur ein großer Schwindel!
Mit fadem Knacken gibt der Reif dem Zahne nach und offenbart den Betrug: nichts
als gemeine, schnöde, einfache Schokolade ist die Substanz dieser Konkatenats.
Nichts weißes, nichts fluides, nichts milchig-cremig-schmelzendes, nur in
seiner faden, unfrischen und leicht verhorn imponierenden Konsistenz an die
Gesäßschwielen eines Schokonikolauses erinnernd, der gleich mehrere Saisonen
dem Verzehr entrann, weil er im entscheidenden Moment einem von der Vereinigten
Schokoladenhohlfigureninteressengemeinschaft (VSHFI) angezettelten Sitzstreik
zur Erzwingung besserer Arbeitsbedingungen beihalf. Die Kongruenz der
Verworfen- und Abgetragenheit seiner inneren Strukturen zu denen seines
Heimatlandes ist hier augenfällig.
Geschmack: Hier endet die Übereinstimmung: denn während die
italienische Küche trotz allen Elends ihrer Herkunft Nase, Gaumen und Zunge
singen, tanzen und selbstbewässert frohlocken macht, würde diesen zerlöcherten
Bettler im Reiche des Gustos, diesen Verräter an den Möglichkeiten des
Schokoladengeschmacks, diesen fad-drögen Staubschmecker wohl selbst ein italienischer
Kerkersträfling beim Essenfassen nicht in seinem Emaillenapf erdulden.
Bastardo! Mamma mia, Bastardo! Was erlauben Tablò?!
Fazit: Der Berlusconi unter den Riegeln: außen braun,
poliert, bizarr-chaotisch und das Blaue vom Himmel versprechend, innen hohl,
verlogen und das am Äußeren weggelogene Alter schmerzhaft kenntlich werden
lassend.