Dienstag, 14. Dezember 2010

Senf gibt es doch gar nicht in Flaschen

Wieso eigentlich Sack? Wenn jemand beleidigt werden soll, warum erscheint es dann dem ein oder anderen Beleidigungsbereiten sinnvoll, einen Vergleich mit einem beutelartigen Behältnis anzustrengen? Und wieso sollte das eine Beleidigung sein? Noch dazu ist mit "Du Sack!" ja eher etwas sinnverwandtes zu "Du gemeiner Kerl" und gerade nicht "Du beutelartiges Behältnis" als Hinweis z.B. auf die Körperform des Geschmähten gemeint. Säcke sind ja sogar eigentlich etwas Nützliches und in den meisten Fällen zur Aufbewahrung von Aufbewahrenswertem gedacht, erfüllen also keine der Gemeinheit ähnelnde Funktion. Und der Vergleich mit einem nützlichen, unaufdringlichen Gegenstand mag zwar kein schmeichelhafter sein, qualifiziert sich aber noch lange nicht als Beleidigung und erst recht nicht als Gleichsetzung mit einem gemeinen Kerl. Man sieht das auch daran, daß sich "Du beutelartiges Behältnis" bisher nicht in den nationalen Beleidigerkreisen durchgesetzt hat. Natürlich klingt "Sack" sehr lustig, aber das trifft auch für "Suppe" zu und dennoch ist die Zahl derer, die bereits in schmähender Absicht als das in Terrinen gereichte Gericht gerufen wurden, vermutlich kleiner als die Zahl der Einwohner Phnom Penhs, die mit zweitem Vornamen "Ignaz" heißen.
Kompliziert wird es, wenn der insultäre Sackmißbrauch mit Beleibt- und/oder Betagtheit koinzidiert. "Du Fettsack" ist eindeutig eine herabsetzende Art, zu äußern, daß des Leibes Überfülle des werten Gegenübers nicht unbemerkt geblieben ist. Mehr jedoch nicht, denn die im adjektivlosen Sack getragene Beleidigung als gemeiner Kerl, findet sich im Fettsack nicht. Interessanterweise gibt es höchstens einen marginalen Bedeutungsunterschied zwischen "Du Fettsack" und "Du fetter Sack".
"Du alter Sack" hingegen kann nicht ersetzt werden durch "Du Altsack" und transportiert zwar mehr als nur die herablassende Feststellung einer meist die sechzig passiert habenden Betagtheit, jedoch nicht das volle Gewicht des eigentlich sackhaften "gemeinen Kerls", sondern eher einen Hinweis auf eine sich vermittels leichter Alterswurschtigkeit selbst erteilte Genehmigung zum Schleifenlassen der Benimmzügel und zum Understatement bei der Fassadenpflege.

Der Gipfel der Kompliziertheit wird erreicht, wenn man sich bemüht, die Unterschiede
zwischen "Du alter Fettsack" und "Du fetter alter Sack" zu verstehen.
Im ersten Fall steht "alt" sicher als Verstärkung, wie z.B. im von genervten Müttern geäußerten Ausruf "Ihr alten Ferkel!", wenn die Sprössling mal wieder eine Flasche Senfs und ein Glas Ketchups auf dem Perserteppich verrieben haben, weil sie "Diabetiker-Perser beim Arzt" gespielt haben und der Teppich nun mal ein "offenes Bein" hatte. Die altklugen Sprösslinge krähen dann natürlich: "Leute, die in Oxymoronen reden, sind irgendwie total 20th century", woraufhin die Mutter die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und klagen wird: "Ach, ach, ach! Die altklugen Sprösslinge!"

Im zweiten Fall wird "fett" in 98% aller Gelegenheiten, zu denen solches geäußert wird, wohl roh und unfein gemeint und auf die Schmähung von des Leibes reicher Fleischumgürtung gemünzt sein. In, so sage ich es und damit steht es geschrieben, 2 % dieser Gelegenheiten wird es aber von hypermodernen Jugendlichen oder noch hypermoderneren Junggebliebenen in lobend-anerkennender Absicht geäußert. Dazu muß man wissen, daß es unter den genannten Personengruppen Usus ist, Gutes und Bevorzugenswertes "fett" zu nennen und zu finden. Die Kombination des zweiten Ausspruchs ist deshalb nicht häufig anzutreffen, weil es selten vorkommt, daß man einem als alten Sack Bezeichneten zugleich die Auszeichnung "fett" zu sein, zukommen zu lassen sich veranlasst sieht. Es schwingt dabei also auch immer etwas Ironisches mit, denn der alte Sack ist seinem Wesen nach ja nicht zu loben.


P.S.: Im Satz oben muß es natürlich heißen: "ein Glas Senf" und eine "Flasche Ketchups"
P.P.S.: Gibt es eigentlich im Deutschen mehr als vier Wörter, die auf "nf" enden?