Freitag, 13. Januar 2017

Riegelverkostung – Crunchie

Was steht drauf: „Get that Friday feeling with Crunchie; Milk chocolate with Golden Honeycombed Centre“

Hüftgoldfaktor: 187 Kalorien dat Stück.

Erster Eindruck: Wer wollte nicht schon immer das „Freitagsgefühl“ verspüren, indem er sich, wie ich es am heutigen Freitag dem 13. tue, einen Schokoriegel mit goldener Bienenwabenmitte zu Gemüte führt? Links und recht eingefaßt vom Cadbury-Lila prangt auf golden-spiegelndem Hintergrund der Name dieses leichtgewichtigen, schlanken und hohl wie ein Vogelknochen wirkenden Riegels in prallen und etwas unordentlichen roten Lettern. Ich bin wahrlich kein Paraskavedekatriaphobiker aber ein kleines bißchen beunruhigend, eine Winzigkeit unheimlich wirkt „crunchie“ schon, wie er so goldglitzernd mit bunten albernen Buchstaben beschriftet daliegt, vielleicht wie ein Clown, klein und leicht unscharf im Hintergrund eines Urlaubsphotos, den man erst viel später darauf bemerkt und der genau in die Kamera zu blicken scheint oder wie langsame und nur ein kleinwenig leiernde Zirkusmusik auf einer um einen Achtelton verstimmten Drehorgel. Der Effekt verfliegt rasch, wenn man crunchie sein Kostüm herunterzieht und einen appetitlichen Schokobarren mit leicht gewellter Oberfläche freilegt. Zuerst riecht er auch ganz harmlos nach Schokolade, nur wenn man ganz nahe herangeht und genau hinriecht, ist da noch etwas anderes, unbestimmtes, unnennbares in diesem Geruch, etwas verborgenes unter der Oberfläche, das lauert und wartet…

Mundhaptik: Knacks. So macht crunchie, wenn man ihn abbeißt oder besser –bricht, denn sein gesamtes Inneres ist komplett gefüllt von einem goldgelben überaus spröden Interieur, das auf Druck sofort abbricht und sich hernach krachend und crunchend zerbeißen läßt. Blickt man dann auf die Bruchstelle, findet man sich als Trypophobiker sicher unvermittelt in einem schokoriegelgewordenen Alptraum wieder, als Nontrypophobiker sieht man hingegen nur runde Löcher, die einem euphemistisch als Bienenwaben, die ja eigentlich hexagonal sind, angekündigt wurden. Und während man noch versucht, die heraufbeschworene Erwartung bienenwachsweicher Kaumasse mit dem trockenen Gekrache aus dem eigenen Mund in Einklang zu bringen, ist da wieder dieses kurze, beunruhigende Flackern in der Wahrnehmung, wie ein kleines, atmosphärisches Rauschen in einem Funkspruch, das wie ein fernes Ächzen klingt, wie ein einzelnes, gerade einmal Sekundenbruchteile sichtbares und nur unterbewußt wahrnehmbares Bild eines bleichen, haarlosen Gesichts mit aufgerissenem, lippenlosem Mund und starrenden toten Augen in einem fröhlichen, bunten Werbespot für Blütenhonig von glücklichen Bienen auf der Sonnenalm.

Geschmack: Überraschend ungruselig. In die sofort präsente, große Süße mengen sich nach und nach leicht künstlich wirkende Honignoten, dann etwas karamellen-röstiges und zuletzt der Schokoladengeschmack, lecker ist’s, und langsam löst sich dann die Anspannung, flaut das Unbehagen ab, schmeckt man wieder zutraulich hin, wenn man erleichtert feststellt, daß der Schatten unter dem Bett, die Silhouette im Zwielicht, das Rascheln im dunklen Keller doch nur Produkte der überreizten Einbildung waren, daß man sich getäuscht hat, daß das Leben wie gewohnt weitergehen kann, daß nun endlich – und das ist das Freitagsgefühl – das Wochenende kommen kann.

Fazit: ein Riegel wie ein langgezogenes, anschwellendes Streichertremolo eines bedrohlichen Gm(maj7)9-Akkordes, das dann einfach abbricht, ohne, daß jemand stirbt.